Pippis Weisheiten

Florian Kresser

Geschäftsführer Aqua Mühle

Das Video
Teilen
Facebook
Twitter
LinkedIn
WhatsApp
Schau, was ich gefunden habe, mach da mit!
Zum Mithören...
Zum Mitlesen...

Heute zu Gast bei erLEUCHTEnd erzählt

Mein Name ist Florian Kresser. Ich bin Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH AQUA Mühle Vorarlberg. AQUA steht für Arbeit und Qualifizierung und die Mühlegasse für unser erstes Wohnheim im sozialpsychiatrischen Bereich, das 1987 schon eröffnet wurde. Wir engagieren uns für Menschen am Rand der Gesellschaft. Es geht bei uns um Teilhabe, Ressourcenentwicklung und ein Leitspruch ist „Es gibt niemanden der nichts kann.“

Was ist Ihre Story?

Meine Geschichte ist eher ein Kurzgeschichtenband, mehr als ein Roman. Es passieren doch immer wieder Erlebnisse und Wendungen im Leben, die einen sehr stark beeinflussen. Vielleicht kann ich da einen kleinen Einblick geben.

Eine kleine Geschichte zu Beginn: Ich habe mich für meine erste Führungsstelle beworben aus dem heraus, dass ich keine Führungserfahrung hatte, dass ich auch wenig Managementerfahrung hatte, aber die Aufgabe im Bildungsbereich hat mich sehr gereizt. Ich wusste, ich muss zum Gespräch kommen, um eine Chance zu haben. Ich habe dann die Pippi Langstrumpf hergenommen und habe sie auf meine Bewerbungsmappe geklebt mit dem Spruch

„Zwei mal drei macht vier
Widdewiddewitt und drei macht neune
Ich mach‘ mir die Welt
Widdewidde wie sie mir gefällt“,

und darunter ein Bild der erwachsenen Pippi Langstrumpf mit dem Spruch „Pippi ist jetzt erwachsen und kann immer noch nicht rechnen.“ Das hat mich dann ins Bewerbungsgespräch gebracht, wirklich eigentlich nur aus Neugier meiner damaligen Chefin, die gesagt hat: „Wie kommt man denn auf sowas? Wie bewirbt man sich denn so?“ Das war auch mein Einstieg dann in Richtung Sozialunternehmen. Also das war mein Einstieg in ein Bildungsunternehmen, wo ich mein erste Managementfunktion hatte. Einer der Leitsprüche, dieses „Ich mach‘ mir die Welt widdewidde wie sie mir gefällt“ war eigentlich auch immer dieses etwas wagen, auch nach vorne blicken, einfach mal machen – das war für mich sehr wichtig und bis zum Ende dieser Funktion.

Ich habe dann auch die ersten Jahre mit einer Flüchtlingsfamilie zusammengelebt in einer Pfarre, wo wir uns auch das Bad und das Klo geteilt haben. Ich habe da auch diese ganz anderen Problemwelten mitbekommen. Ich mit meiner Herkunft und mit allen Möglichkeiten, das heißt mit „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.“ Das muss man sich auch leisten können und das muss man auch können. Dann auf der anderen Seite die Flüchtlingsfamilie, die jede Nacht Angst hatte, dass sie die Polizei abschieben kommt. Das sind so Themen in meinem Leben, die mich sehr geprägt haben. Das Bühnenleben habe mich auch als zukünftiger Chef sehr geprägt, weil es gibt kein Berufsfeld, bei dem man mehr Narzissten findet. Also wir hatten mit Regisseuren, Dirigenten zu tun, das sind Chefs in Extremen, die auch Rollen einfordern. Das heißt, da hat man zu funktionieren, man muss eine Rolle erfüllen und ist sehr wenig in der eigenen Authentizität. Das ist etwas, was mich heutzutage antreibt, authentisch sein zu können. Für mich als Chef, aber auch für meine Mitarbeiter. Das ist eigentlich auch das, was meine Führungsphilosophie ausmacht. Ich möchte ein Umfeld schaffen, wo Menschen authentisch sein können, wo Menschen sich mit ihrer gesamten Persönlichkeit einbringen, mit ihrer ganzen Fähigkeit und Vielfalt und auch, wenn sie Lust haben, zu sagen ich habe vielleicht meine Funktion im Unternehmen, aber ich habe diese Fähigkeit, die ich vielleicht einem anderen Ort einbringen kann, dass diese Möglichkeiten auch bestehen. Das ist bei uns im Unternehmen auch ein wichtiger Leitsatz in der Teilhabe.

Das andere ist, dass ich einfach auch gelernt habe, dass es eigentlich immer jemanden gibt, der etwas besser kann als man selbst. Das heißt dieses nicht in die Narzissmusfalle zu tappen, als Entscheider dann dazustehen und zu sagen, das entscheide ich jetzt, weil ich weiß ja alles besser, sondern wirklich zu reflektieren, in die Teams zu gehen, zu schauen wer hat was beizutragen der kann vielleicht die Entscheidung noch irgendwo aus einem anderen Blickwinkel sehen. Das treibt mich an und damit ist auch eine gewisse Demut verbunden, dass ich einfach nicht davon ausgehe, dass ich alles besser weiß. Ich weiß um meine Fähigkeiten, ich weiß, dass ich sehr gut verknüpfen kann. Das heißt diese Blickwinkel zusammenzuführen und dann vielleicht irgendwo einen klaren Entscheidungsauftrag zu finden. Aber ich weiß das nicht besser. Das ist auch etwas, das mich sehr geprägt hat.

Was mir auch sehr geprägt hat ist nicht allein zu entscheiden, sondern Teilhabe in den Vordergrund zu stellen. Das heißt auch Mitarbeiter mitentscheiden zu lassen bzw. Mitarbeiter entscheiden zu lassen, auch wenn es mir vielleicht nicht so gefällt. Da kann ich auch ein kleines Beispiel unserer Unternehmensgeschichte einbringen. Wir hatten vor 45 Jahren gröbere Probleme einen Generationenwechsel im Unternehmen, einige Aufträge, die wir verloren hatten und wir hatten die Notwendigkeit einige Mitarbeiter zu kündigen und etwas umzustrukturieren. Wir haben dann begonnen einen Sozialplan zu erstellen, das heißt zu sagen welche Kriterien der Kündigung stellen wir in den Vordergrund. Wenn jemand schon länger Unternehmen ist, irgendwo soziale Themen sind, also wir haben ein Kriterienkatalog gemacht und haben gesagt diese Mitarbeiter kündigen wird auf jeden Fall nicht aus sozialen Gründen. Dann haben wir diese Entscheidung in die Teams gelegt, einfach weil sie auch sagen mussten mit wem sie zusammenarbeiten können, um erfolgreich weiter wachsen zu können, oder in der Entwicklung wachsen zu können. Da war dann wirklich die Solidarität so groß, dass die Mitarbeiter gesagt haben, nein, wir verzichten auf einen gewissen Stellenprozent, um die Kündigung zu verhindern. Hätte ich es selbst entschieden, wäre mir nichts anderes übrig geblieben, als Mitarbeiter zu kündigen und die Mitarbeiter haben einen besseren Weg gefunden und mit der Zeit konnten sie die Stellenprozente auch wieder aufstocken. Also das war für mich so ein Beispiel von gelebter Teilhabe, die dann auch in der Führung, wo oft sehr kritische Entscheidung getroffen werden müssen, sehr gut funktioniert.

Vielleicht noch eine lustige Anekdote aus der Covid-Zeit. Wir haben ganz zu Beginn der Covid-Zeit natürlich auch diese gewisse Resignation und diesen Stillstand gespürt und wir wollten trotzdem voranschreiten und wir wollten diesen Stillstand nicht akzeptieren und haben dann Projekte gesucht, denen wir uns widmen konnten, um diese Zeit möglichst konstruktiv und in Entwicklung weiterzuführen. Unter anderem war das auch dieses Café hier, wo wir gesagt haben, nutzen wir die Chance und bauen es zu einem Lehrlingscafé um, wo wir Lehrlinge überbetrieblich ausbilden und ihre Ressourcen fördern. Da hatten wir eine legendäre Zusammenkunft von einigen Mitarbeitern bei uns, als und dann auch die Polizei noch verfolgt hat, weil sie dachten wir machen eine Covid-Party. Als das dann geklärt war, ging es darum, wie bauen wir das jetzt um und dann waren verschiedene Perspektiven da. Wir müssen den Architekten mit einbinden, wir müssen das und das berücksichtigen vom Corporate Design und so weiter. Irgendwann hat unser Chefgastronom gesagt: „Die Wand muss weg.““ Da hat er einen großen Hammer genommen und da hinten die Wand eingeschlagen, die jetzt nicht mehr existent ist. Das war ein richtiger Macher und da habe ich gesehen, wie authentisch er sich einbringt und einfach gemacht hat. Das hat mir auch irgendwie sehr imponiert.

Wer hat Sie erleuchtet?

Es sind viele Menschen, Also ich bin jetzt weniger an Persönlichkeiten interessiert, die mich inspirieren, sondern mehr an Lebenswegen. Und da haben mich sehr viele Mitarbeiter inspirierte auf dem Weg, meine Kolleg*innen, die meine Fähigkeiten wahnsinnig ergänzen, wo wir in einem Puzzle zusammen funktionieren und sehr viele Klient*innen, die oft viel größere Probleme zu meistern haben, als man selbst, weil wir sind selbst sehr privilegiert mit unseren Jobs, wir haben eine Arbeit, eine Familie sind hier geboren, haben dementsprechend gute Chancen. Beispielhaft, ein Praktikant von uns, der Ali, kommt auf Afghanistan, ein junger Mann. Er ist erst seit ein paar Jahren hier, spricht sehr gut Deutsch, hat eine ganz klare berufliche Perspektive, möchte Sozialbetreuer werden. Er hat auf dem Weg in dieses Berufsfeld bei uns ein langes Praktikum gemacht und musste das Praktikum jetzt vor kurzem abbrechen, weil er sagt, meine Schwester, meine zweite behinderte Schwester, meine Mutter sind in Moria, haben da jeden Tag angst folgt vor Vergewaltigung, haben Hunger, wissen nicht wie die zukünftige Perspektive ist. Er musste Geld von seinen Freunden hier in Österreich ausleihen, um es dem Vater und dem Bruder zu schicken, weil sie nicht wollten, dass die Familie, oder die Mutter, allein in Moria sitzt. Er hat sie jetzt finanziert, damit sie dann auch nach Moria kommen, natürlich auch ohne Perspektive. Er sagt jetzt ganz klar, er kann diesen Beruf momentan nicht machen, weil er muss jetzt (er hat es sich ausgerechnet)16 Monate arbeiten, bis er das Geld zurückgezahlt hat an seine Freunde. Dann möchte er diese Perspektive wieder aufnehmen. Das finde ich wirklich bewundernswert mit so einem Schicksal, mit seinem Rucksack bewaffnet trotzdem noch perspektiven zu entwickeln. Das sind Menschen, die mir weitaus mehr Respekt abbringen als wie irgendwo Erfolgsstorys von Menschen, die vielleicht auch schon privilegiert auf die Welt kommen.

Was traut man Ihnen eher nicht zu?

Was traut man mir nicht zu? Also man traut mir wahrscheinlich nicht zu, dass ich Opernsänger bin. Man hat anscheinend ein klassisches Bild von einem Opernsänger und das weicht etwas von dem ab, wie man mich erlebt. Allerdings hat sich die Opernwelt auch verändert. Das heißt, es sind viele Menschen mit einem breiten Horizont auch Opernsänger, denen man es vielleicht nicht ganz ansieht. Und das Zweite, das mich wurmt, ist, dass meine Mitarbeiter mir nicht zutrauen, dass ich mich mit Fußball auskenne. Wir hatten bei der letzten WM ein Fußballtipp-Wette, wo ich so versagt habe. Seitdem bin ich verrufen, dass ich mich nicht auskenne.

Was gefällt Ihnen an erLEUCHTEnd erzählt?

Erstens, weil ich glaube, dass soziale Unternehmen in die Mitte der Unternehmenslandschaft gehören, und dementsprechend fand ich es daher eine tolle Chance auch ein soziales Unternehmen greifbarer zu machen. Wir bieten auch eine wahnsinnige Vielfalt und Multiprofessionalität, darum passen wir hier, glaube ich, sehr gut rein.

Warum haben Sie sich für diese Lampe entschieden?

Ich dachte, ich habe mich für das Buch entschieden, aber ich muss sagen es gefällt mir sehr in der Reduziertet. Es steht wirklich das Licht im Vordergrund, es hat keinen Schnickschnack und ist dementsprechend wirklich in sich geschlossen.

Teilen
Facebook
Twitter
LinkedIn
WhatsApp

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Weitere tolle Geschichten

“Besuch bei der Stadträtin in Bad Ischl”

Marija Gavric

Stadträtin

“Alles kommt wie es kommt!,”

Mag. Rainer Jocher

Direktor