Heute zu Gast bei erLEUCHTEnd erzählt
Mein Name ist Emil Brix. Ich bin Direktor der Diplomatischen Akademie in Wien, der weltweit ältesten Ausbildungsstätte für internationale Berufe. Das bin ich seit 3 Jahren. Davor war ich Botschafter, unter anderem für Großbritannien, Österreich und in Russland.
Was ist Ihre Story?
Als Diplomat erlebt und lernt man sehr viel was Führungsverhalten angeht. Und ja, meine Geschichte ist eigentlich die Geschichte einer kleinen Lüge.
Ich bin als junger Diplomat, Ende des Jahres 1989, vom damaligen Außenminister Alois Mock in den Osten geschickt worden. Ich bin damals losgefahren mit einer „Erika Reiseschreibmaschine“ und mit viel Enthusiasmus, um ein kleines Team aufzubauen. Ich bin dann in das schon demokratische Krakau in Polen raufgefahren und habe dort angefangen ein Büro aufzubauen. Ich habe junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – vor allem aber polnische Mitarbeiter – gesucht. Ich hatte eine Liste mit Stipendiatinnen, die mich dann auch besucht haben. Und übrigens, das alles geschah vor der eigentlichen Geschichte. Man durfte damals nur in einem einzigen Hotel in Krakau, denn es war noch ein bisschen kommunistisch angehaucht, bleiben. Denn nur dort gab es Überwachungskameras mit Tonspur, um Ausländer überwachen zu können. Ich hatte also diese Liste mit den Namen der jungen Damen, die allesamt Deutsch an der ältesten Universität in Polen studiert hatten. Diese Damen kamen zu mir ins Hotelzimmer, im Stundentakt. Mein Ansehen in diesem Hotel, können Sie sich vorstellen, ist daraufhin ins unermessliche gestiegen. Und zwar bei jedem Mitarbeiter, denn ich hatte schließlich jede Stunde eine andere junge Dame aus Krakau bei mir in meinem kleinen Hotelzimmer zu Besuch.
Aber die eigentliche Geschichte passierte später, als ich das Büro bereits aufgebaut hatte, und wir anfingen zu schauen, wie man das neue Polen unterstützen konnte. Ich war so knapp um die dreißig Jahre alt und österreichischer Generalkonsultant damals. Da kam mal die Anfrage rein, ob ein polnischer Bauer aus Schlesien, mich besuchen dürfte. Naja, selbstverständlich. Wir sind für alle Menschen da und haben dann einen Termin ausgemacht. Er wollte mir was schenken. Er kam zu mir und hatte eine riesige, zusammengerollte Leinwand mit dabei. Ich dachte mir nichts und fragte, was ich denn für ihn tun könne. Er sagte, er habe den Auftrag seines Großvaters bekommen. Denn sein Großvater hatte, nach Ende der Habsburgerherrschaft in Südpolen, ein Gemälde von Kaiser Franz Josef gerettet. Das Bild wurde in der Familie aufgehoben, für bessere Zeiten. Ob es möglich sei, wenn es denn ginge, dass man es dem Nachfolger des Kaisers Franz Josef gäbe. Deswegen war er da gewesen, weil der Kommunismus vorbei war. Die Leinwand hatte er aus einem Schloss in Schlesien gerettet, erzählte er weiter. Er wollte sie mir schenken, weil ich ja eigentlich der Nachfolger vom Kaiser Franz Josef in Krakau war – dadurch, dass ich der Generalkonsultant war. Ich habe ihm dann gesagt, dass das sehr nett ist und dass es eine sehr berührende Geschichte war. Und, dass ich mich sehr darüber freue. Ich sagte ihm dann, er soll sie doch mal ausrollen, also die Leinwand. Er rollte sie vor mir aus, sie war einige Meter groß, und ich habe sie mir dann angesehen. Ich bedankte mich vielmals und legte die wieder eingerollte Leinwand auf meinen Tisch. Dann sagte ich zu ihm, dass er seiner Familie sagen kann, dass das Gemälde und der Kaiser jetzt wieder in guten Händen waren. Dann ist er weggegangen. Das Problem jedoch war, dass das nicht Kaiser Franz Josef auf dem Bild war, sondern der deutsche Kaiser Wilhelm. Also auf dem Bild, welches ich soeben geschenkt bekommen hatte, von dem schlesischen Bauern. Ich hatte das Gefühl, dass ich es ihm und seiner Familie nicht sagen durfte, dass sie jahrzehntelang etwas geglaubt hatten, was eigentlich falsch gewesen war und er eine falsche Erinnerung in sich trug. Deshalb habe ich es entgegengenommen und beschlossen, dass diese kleine Lüge gut für ihn ist.
Seither hängt bei mir der erste deutsche Kaiser Wilhelm, aber für mich ist es eigentlich Kaiser Franz Josef. Das ist meine kleine Geschichte, die zeigt, was so alles in einem Diplomatenleben passieren kann. Gerade wenn man an der Schnittstelle zwischen zwei Zeiten arbeitet, und versucht, das richtige zu machen.
Wer hat Sie erleuchtet?
Es sind immer mehrere Menschen, die einen inspirieren. Bei mir war es so: Ich studierte Geschichte an der Uni Wien und mein Lehrer, Historiker Professor Sturz, motivierte mich tatsächlich dazu etwas zu tun, wo man aktiv mit Menschen arbeiten kann. Ursprünglich dachte ich, dass ich an der Uni Wien bleiben werde, um Wissenschaftler zu werden. Aber er sagte dann, dass ich mir das überlegen sollte, denn es gibt ungefähr 1000 Universitätsprofessoren in Österreich, aber nur 100 Botschafter. Das wäre doch eine andere Karriere und noch dazu kann man in diesem Beruf Dinge gestalten. Ich habe diese Idee aber nicht sofort angenommen, sondern habe mit Leuten gesprochen, die in der Politik tätig waren und die mir nahestanden, auch inhaltlich, also mit liberalen Menschen. Einer davon war Heinrich Neisser, er war dann später Nationalratspräsident. Aber auch Alois Mock, der dann im Außenministerium mein Chef war. Diese Menschen haben mich sehr beeindruckt, weil sie mir genau das gesagt haben: „Wenn man Diplomat wird, ist man nicht nur jemand der Botschaften überbringt, sondern man muss ein eigenes Team führen, internationalen Interessen vertreten und schauen, dass man Politik umsetzten kann.“ Das ist etwas, was mich sehr motiviert hat. Ich versuche das auch allen, hier, in meinen jetzigen Funktionen, in der Diplomatischen Akademie aber auch jungen Leuten im Außenministerium, mitzugeben.
Was gefällt Ihnen an erLEUCHTEnd erzählt?
Ich finde es völlig richtig, dass es darum geht, Menschen Geschichten abzunehmen. Dass man ihnen zuhört und dass man diese Menschen nicht nur in ihrer Funktion erlebt, die sie halt gerade im beruflichen Umfeld haben, sondern dahinter blickt. Denn dahinter stehen einfach Menschen mit Geschichten. Und ich glaube, dass man das Empathie nennt. Oder heißt es emotional Intelligence bei uns? Egal, es ist jedenfalls etwas ganz ganz Wichtiges. Und das finde ich sehr schön an diesem Projekt, das das auch umgesetzt wird.
Warum haben Sie sich für diese Lampe entschieden?
Das ist einfach, denn die Geschichte, die ich erzählt habe, stammt aus der Zeit des Umbruches 1989/90. Die Lampe erinnert mich genau an diese Zeit, als der Kommunismus vorbei war. Die neue Demokratie musste ziemlich roh wiederaufgebaut werden. Es gab nicht viel mehr als eine Glühbirne. Deswegen habe ich sie ausgesucht. Genauer gesagt: Ich war im Sommer 1989 in Rumänien, das war noch in der Zeit von Ceausescu, also diese sehr kommunistische Herrschaft. Dort war ich eigentlich wegen meiner Frau. Ich wollte sie darauf vorbereiten, damit wir „gerne“ hinter den Eisernen Vorhang gehen, da mein Beruf dies mit sich brachte. Und das schlimmste Kommunistische Regime was es damals gab, war das rumänische Regime. Dort gab es im Sommer 1989 nichts zu essen, außer Kraut. Mitten im Sommer. Und außer der Glühbirnen im Hotelzimmer gab es sonst keine. Man konnte sie entweder im Kühlschrank montieren oder an der Decke. Und diese Lampe erinnert mich daran.
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